Geister in Yorkshire

Von Christoph Laade – Bisweilen fragen mich Freunde: Du kennst jetzt so viele Gärten, welcher ist denn nun der schönste? Eine Frage, die ich unmöglich beantworten kann. Wohl berührt mich bisweilen etwas spontan, obwohl ich oft nicht einmal so recht begreife, warum.

Lassen Sie mich von Yorkshire berichten: Ein Gebiet im Norden Englands, einst eigenständiges Königreich, heute die größte der vielen englischen Grafschaften. Eine der rührigen Gärtnerinnen der Gegend, Liz, hatte mich eingeladen auch einmal abseits der bekannten Wege im Süden Englands Gärten zu besuchen. „Get a boat and lend us your ear and eyes“. Neben Ohren und Augen sollte auch meine Nase eine wichtige Rolle spielen.

Mein erstes Gartenziel war Burton Agnes Hall. Durch ein kleines Tor gelangen die Besucher in eine neue Welt. Der ehemalige Gemüsegarten, ganz ummauert, ist nun Spiel-, Duft- und vor allem Farbgarten. Das Schloss ist zu besichtigen und der Besucher erfährt von der Enthauptung einer Unschuldigen und deren geisterhaftem Fortbestehen. „Ach ja“, so dachte ich, „die Engländer mit ihren Gespenstergeschichten.“ Und doch: Auch mir sollte ein Geist nahe kommen.

Als weiteres Ziel hatte mir Liz Newby Hall empfohlen. Eine großartige Anlage. Der Adelssitz ist seit 1748 im Besitz der Familie Compton of Newby. Ca. 3 km bewegt man sich zunächst durch eine von majestätischen Baumgruppen geprägte Parkanlage. Vielleicht kein Beispiel dass direkt im Privatgarten nachgebaut werden kann, aber gut – Gartenreisende lassen ja Gärtnern. Der Garten selbst gehört für mich zu den eindrucksvollsten in England. Höhepunkt ist ein 300 m langes doppelseitiges Staudenbeet, das den Hügel vom Wasser zur Hall ansteigt.

Eindrucksvoll war auch der Besuch bei Meisterflorist George Smith, der mich zunächst gar nicht empfangen wollte:

„Ich habe die Maler hier und bin noch nicht dazu gekommen alles in Ordnung bringen zu lassen.“ Selten habe ich jedoch einen solch perfekten Garten gesehen. Allein der von einer vielgestaltigen Buchssippe bevölkerte weiße Garten lässt manche viel besuchte Anlage vergessen. Auf meine Frage nach seinen Gartenvorbildern sagte er nur knapp: „For sure not this Sissigarden somewhere in the south”, so George etwas despektierlich über das grosse Sissinghurst. Nun ja, ein Meister lässt sich eben nicht gern in sein Rezeptbuch schauen.

Endlich stand auch der Besuch im Garten von Liz und ihrem Gatten Robert an. Es war gar nicht so leicht den Garten abseits der großen Wege zu finden, in einem Ort der nur Hausnummern kennt. Ich gebe zu auf den ersten Blick war ich fast ein wenig enttäuscht. „OK, ein hübscher Gravelgarten, OK, eine nette Sammlung Rittersporn, einige interessante Kübelpflanzen“, dachte ich sichtlich ermattet. Aber schon bei den ersten Fragen der ehemaligen Schüler der berühmten Kew Gardens wurde mir klar: Hier kennst du fast gar nichts. So viele Besonderheiten auf kleinem Raum, dazu so nett hergerichtet und obendrein die begeisterten Augen der Gärtner. Und doch: Zunächst stand mir nur eines im Sinn, nämlich der Kaffee, der aus der kleinen Küche duftete. Liz bat mich herein und ich fühlte mich als ob ich gerade nach Hause gekommen wäre. Zum Kaffee gab es natürlich auch Gebäck und plötzlich wähnte ich mich im Garten meiner Großmutter, in dem ich vor 30 Jahren zum letzten Mal war.

Ein warmes Erlebnis, dessen Aufklärung mir Wochen später meine Schwester beim betrachten der Bilder des Gartens lieferte: Das sind ja dieselben Wicken wie bei Oma, die haben doch immer so fein gerochen.

So musste ich also nach England fahren, um unverhofft einen Hauch meiner geliebten Großmutter zu verspüren.

Wenn das nicht geisterhaft ist!