Latium – Das Zauberland

von Petra Engelen – „Ich habe die meisten Gefilde Italiens durchzogen, ich habe die berühmten Fluren von Agrigent und Syrakus durchwandert, aber trotz aller Farbenpracht jener südlichen Zone muss ich doch bekennen, dass mir die Campagna von Rom und Latium den mächtigsten Eindruck macht. Diese Landschaft bleibt immer neu und groß für mich,“ schwärmte Ferdinand Gregorovius, Historiker und größter Italien-Kenner des 19.Jahrhunderts.

Hinter Rom beginnt das Zauberland…

In Latium, abseits des römischen Trubels, bestellen heute Landwirte ihre Felder über unentdeckten Etruskergräbern, weiden Hirten ihre Schafherden unter Aquädukten und produzieren die Winzer von Montefiascone ihren `est,est,est´.

Mein erster Gartenbesuch führte mich zur Villa Lante  in Bagnaia, ganz in der Nähe von Viterbo. Mit dem Erfindungsreichtum der tausend Wasserkünste gehört der Garten zu den größten Werken europäischer Gartenkunst. Gleichsam einer Lebensader durchzieht den Garten eine Folge von Wasserspielen. Bei meinem Spaziergang durch den Garten wurde mir klar, warum Sheperd und Jellicoe in ihrem Buch `Renaissance Gardens of Italy´ die Schönheit dieser Anlage beschrieben als: „ … vollkommen der schöpferischen Einbildungskraft entsprungen … hier ruht der Geist, der von der Schönheit der Natur, dem geheimnisvollen Helldunkel des Waldes und dem wundervollen Ausblick unmerklich übergegangen ist auf die Schönheit des von Menschenhand geschaffenen Werkes: auf die ruhige Formenstrenge der Architektur“.

Meine Freundin Donatella, die mit der Zeit      auch zur Gartenliebhaberin wurde, machte mich auf einen Garten in der Nähe des Fischerstädtchens Marta aufmerksam. Marcello Faggiani hat 1980 eine geniale Aalreuse, die etruskische Fischliebhaber um 600v.Chr. an der Mündung des Flusses Marta gebaut hatten, vor dem Vergessen gerettet. Seine Frau Mirella, von Beruf Klavierlehrerin, fasste nach der Säuberung des Geländes den Entschluss, die restaurierten Gebäude mit einem Garten zu umgeben. Parallel zum Fluss legte Mirella einen Weg mit gelb-orangefarbenen Taglilien und einer Reihe himmelblauer Agapanthus an. Marcello, der leidenschatlich gern von der Geschichte der Aalreuse erzählt, bewundert den Garten seiner Frau und schwärmt: „Als Musikerin hat sie mit dem Gespür für Kompositionen unser kleines Paradies mit rauschendem Wasser geschaffen.“ Für mich ist dieser Garten ein wunderschönes Beispiel, dass an jedem Ort ein Garten entstehen kann, wenn man es will.

Neben den historischen Gärten sind auch die zeitgenössischen Garten- und Parkanlagen mit ihren Skulpturen und Pflanzensammlungen sehenswerte Kunstwerke. Sie erzählen den Menschen Geschichten von den Menschen, die sie geschaffen haben. In dieser Hinsicht ist ein Abstecher in die Südtoskana zum Tarotgarten, der eng in Verbindung mit dem Sacro Bosco von Bomarzo steht, ein Erlebnis besonderer Art.Der Grund dafür ist nicht nur der Garten an sich, sondern Edith, der ich stundenlang zuhören könnte, wenn sie die Entstehung des Gartens erläutert, die Tarotkarten zu den herrlich funkelden Figuren erklärt oder von ihren persönlichen Gesprächen mit Niki di Saint Phalle erzählt.

Eine Randbemerkung sei mir noch erlaubt: Italienische Gärten sind nicht nur „grün mit Buchs und Kübelpflanzen…“! Diese weit verbreitete Meinung kann ich nicht bestätigen. Der Blütenzauber zwischen den Ruinen von Ninfa beispielsweise ist nur ein einziges – wenn auch sehr beeindruckendes Beispiel – für zahlreiche wunderschön blühende und angenehm duftende Gärten in Latium im Frühling.