Wer hätte das gedacht… Highgrove

von Sigrun Schneider – Seit ich von diesem Garten erstmals hörte, war es mein größter Wunsch: Einmal im Leben den Garten von Prinz Charles zu sehen. Insgeheim war ich so vermessen, zu glauben, er würde mir alles zeigen. Aber das kann man nicht erwarten, der Mann hat viel zu tun, und jetzt hat er seit Jahren ja auch endlich seine große Liebe Camilla, und für eine deutsche Gartenwütige sowieso keine Zeit!

Als ich 2005 die Cotswolds besuchte, sprach ich mit meiner Vermieterin über diesen Wunsch. Sie zuckte mit den Schultern, das gehe nicht, you have to be a member of two garden societies, außerdem müssen sie mindestens drei Jahre warten, und dann geht das sowieso nur in einer Gruppe. Bäh, wieder ein Tiefschlag für mein Seelenleben. Aber ich bin doch Mitglied in zwei Gartengesellschaften, na ja, in deutschen, das zählt wohl nicht. Es grummelte jahrelang in meinem zarten Seelchen, aber ich bin hartnäckig. Und manchmal schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Es schlägt zu in einem Klingeln, einem hartnäckigen Telefonklingeln. Atemlos keuchte meine Freundin ins Telefon, es gibt eine Sonderfahrt (ohne Mitgliedschaften), ich fahr mit, hast du Lust? Ich hatte, binnen 10 Minuten war ich angemeldet, und binnen einer halben Stunde waren wir fünf! So einfach ist das – auch wenn’s gedauert hat.

Die Vorfreude war einfach riesig, besonders bei zweien, ich war ja schon öfter mal über’n Kanal, aber die anderen nicht. Kaum Zeit, sich am Bus zu verabschieden, düsten wir los, eingewickelt in einen Schal mit britischem Muster – auf gen England (Cotswolds) und hinterließen staunende Männer, einsam stehend auf einem Busparkplatz. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich ne CD mit *Roule, Britannia* eingeworfen, immerhin hat die Queen in diesem Jahr 60jähriges Dienstjubiläum, das ist ein Ereignis, was es außerdem zu feiern galt. Der Tag rückte näher, der Besuch von *Highgrove* stand nun unmittelbar bevor. Ich habe keinen Hut und bedauerte dies fast. Nur fast. Von einem Bobby überprüft, durften wir dann endlich durch das Tor fahren und wurden von einem netten Herrn in Empfang genommen, der unsere Pässe überprüfte. Er fand mein Foto prima, auch noch, als ich ihm erklärte, es wäre schon uralt. Briten sind höfliche Menschen. Von einer Dame wurden wir im *Orchard room* in Empfang genommen, durften die feine Toilette benutzen und dort schon gleich mal die Lavendelprodukte testen, die man im Shop dann auch kaufen kann. Der Erlös geht selbstverständlich an karitative Einrichtungen, da der Prinz sehr sozial eingestellt und engagiert ist. Unsere Führerin hieß Cecily, eine kapriziöse Person so um die vierzig, mit Hütchen, versteht sich – und Stockschirm. Es hat sich mir nicht erschlossen, ob sie ihn zum Aufstützen oder für Regengüsse verwendete. Sie war sympathisch – und los gings.

Fotografieren war untersagt – das kann man verstehen. Es gibt ja auch genügend Bildmaterial in Büchern. Als Prinz Charles das Haus neu erwarb, gab es noch keine hohen Hecken und die fürchterlichen britischen Paparazzi machten ihm das Leben schwer. Drum sehe ich ihm das auch nach, dass ausgerechnet ich, seine größte Verehrerin, nicht fotografieren durfte. Wir alle haben Herzensbilder mit nach Hause genommen. Wo soll ich anfangen? Ich weiß es nicht. Der Garten war, obwohl ich so viele Bilder gesehen habe, doch ganz anders als ich erwartet hatte, denn – mein Wahlspruch – ich traue keinen Foto, das ich nicht selbst gefälscht habe. Der Garten von Highgrove, oder die Gärten, spiegelt die Seele eines feinfühligen Menschen mit viel Kunstverstand und Sinn für Tradition wieder. Gut beraten durch Lady Sailsbury und anderen Kennern hat er einen Garten entworfen, für den mir die Worte fehlen. Vor allen Dingen fiel mir auf, dass überall seine Großmutter im Geiste zugegen war, ihr hat er Farben gewidmet, mit ihren Lieblingsfarben wurden Tore gestrichen. Dieser Garten ist Nahrung für die Seele, er ist friedlich, grün, und so unendlich natürlich. Man findet keine Springbrunnen, sondern plätschernde Steine. Man findet keinen englischen Rasen, sondern einfach gemähte Wiese, und dass direkt vor dem Haus, neben dem Thymianpfad, wo die herrlichen Eiben stehen, die seine Gärtner nach eigener Fasson schneiden durften. Prinz Charles hat offensichtlich Vertrauen in seine Gärtner, so mutig wäre ich da nicht. Wenn mein Mann die Eiben schneidet, krieg ich immer Bluthochdruck.

Vorbei am Kinderbaumhaus der Prinzen fanden wir dann auch die Wiese, die so bekannt ist (eine Teilnehmerin meinte, so war das doch früher bei uns auch und sie hat recht). Diese Wiese wird mit alten Geräten gemäht, das Heu auf Holzständer aufgebracht und trocknen lassen. Wenn der Samen der Gräser und Blumen ausgefallen ist, wird das Heu abgeräumt und als Futter für die Tiere verwendet. Danach werden die Bäume eingewickelt und die Schafe auf die Wiese geführt, damit sie mit den Hufen die Samen eintreten können und im nächsten Jahr alles wieder frisch erblühen kann. Ich hätte die Führerin umarmen können – so schön war dieser Bericht. Unter Bäumen stand ein kleiner Hund aus Weiden, eine Dame hatte ihn in Erinnerung an den Lieblingsterrier des Prinzen hergestellt. Elton John hat einen Baum gespendet, auf dass es Schatten werde und Sting hat die Wiese mit Fritillarien bestückt. Ob ich auch mal was über den Teich schicke? Vielleicht einen Hostaableger? Die *Daughters of Odessa* waren noch schöner als auf dem Foto – aber kleiner, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ich durfte auch mal anfassen, wie wir alle. Eine Skulptur geht nicht so schnell kaputt. Und dann das Highlight: Die Stumpery. Tief im Wald fanden wir sie, große Wurzeln aus Chestnut, Kastanien. Dazwischen Farne, Hostas und andere Schattenliebhaber. Und jetzt kommts: Es waren ganz normale Hostas, Gold Standard und ihre Geschwister, keine Besonderheiten. Es war grün, so herrlich entspannend. Kein Aufriss mit dem, was man haben sollte, weil alle es haben. Nein, einfach das, was hier am Besten passt, Farben der Natur, grün eben – und was den Gartenbesitzer widerspiegelt. Ich hielt die Luft an, wie lange hatte ich hiervon geträumt! Am Ende unseres langen Spaziergangs wurden wir noch in den Teppichgarten geführt, einen orientalisch anmutenden Garten, der entstand, als der Prinz im Haus einen Teppich ansah – da sag mal einer, das wäre nicht kreativ. Ich war restlos begeistert! Last, but not least, wurden wir wieder in den Orchard room geführt und durften dort unser Lunch einnehmen, ich hatte Hühnerbrust mit Salat und Brot, endlich mal etwas, was mir geschmeckt hat. Hurra – ein gutes Essen! Und nun wirklich zuletzt durften wir uns dem Shoppen zuwenden. Für meine Sammlung erstand ich Postkarten und ein Milchkännchen, und ich finde, das war gegen meine sonstige Gewohnheit wirklich wenig. Zu groß war der Eindruck, den der Garten in mir hinterlassen hatte, ich konnte mich dem schnöden Shoppen nicht richtig hingeben. Andere hingegen schon. Auf der Rückfahrt im Bus legte die Reiseleiterin einen Film ein, den man dort kaufen konnte. Prinz Charles spricht mit Alan Titchmarch, einem bekannten britischen Moderator, über seinen Garten. Ich ärgerte mich tierisch, dass ich diese Aufnahme nicht mitgenommen hatte, aber das lässt sich nachholen. Der Prinz erzählt die Entstehung des Gartens, seine Philosophie, und das mit einer tollen tiefen Stimme, aufgeschlossen und locker, witzig. Da kann man mal sehen, nichts mit steif und britisch, einmal mehr war ich beeindruckt. Und eins weiß ich sicher: Da war ich nicht zum letzten Mal! Und wer es bis hier durchgehalten hat, ist wohl wirklich interessiert – dem kann ich sagen: Nach Hause gekommen, ging ich in den Garten und stellte fest: Ja, das bist du, bis auf die paar Hostas, die zu viel hier sind. Aber das lässt sich ändern!

Hier der Link zum Blog von Frau Schneider.