Wie Gott im Garten Frankreichs

von Renate Tönsing – Wenige Kilometer südlich von Paris öffnet Anne Marie Grivaz das weiße Tor zu ihrem ganz persönlichen Gartentraum, den sie in mehr als dreißig Jahren zusammen mit Ihrem Ehemann Yvon geschaffen hat. Inspiriert durch den Rosenzüchter André Eve wurde hier eine erlesene Rosengesellschaft versammelt, die üppig an Mauern, Pergolen und alten Bäumen in den Himmel steigt – oft gemeinsam mit anderen Kletterpflanzen.

Flanieren und genießen an der Loire…

Paul’s Himalayan Musk berankt eine Mauer und ergießt sich in einer blassrosa Wolke über den sacht fließenden Kanal, der durch den Garten geleitet wurde. Die hölzerne Terrasse schwebt über dem Wasser und konkurriert mit anderen verwunschenen Sitzplätzen unter Lauben oder an Beeten, die nur so überquellen von besonderen Bäumen und Gehölzen; alles ist mit Stauden oder Zwiebelpflanzen üppig garniert. Kein Wunder, dass Familie Grivaz keine Zeit für Urlaub hat. Solch eine Oase benötigt eben Fürsorge.

Eine Menge Zuwendung bekommt auch der Stadtgarten des Rosenzüchters André Eve. Die Neugier steigt, wenn man durch die mit einem Baum bemalten Holztür den Garten betritt. Hierher hat sich der große Meister zurückgezogen, nachdem er seinen Betrieb in jüngere Hände übergab. Damit wenigstens ein Teil der Lieblingsrosen Platz findet, umgibt eine Pergola den verschwenderisch mit Raritäten gefüllten Garten. Dort haben seine Lieblinge Platz, sich nach oben hin auszubreiten. „Vor gut dreißig Jahren gab es fast keine historische Rose mehr in Frankreich“, erzählt der charmante Mittsiebziger. „Ich habe sie dem französischen Publikum wieder näher gebracht und auch über dreißig neue Sorten gezüchtet.“

Diese Erfolgsgeschichte wird in seinem ehemaligen Betrieb fortgeschrieben und dort ist außer dem Besuch des wunderschönen Schaugartens auch der Blick in die Brautstube erlaubt. Dies eher nüchterne Ambiente hindert den Nachfolger Guy André keineswegs daran, mit großer Begeisterung und Wärme über die Kreuzung, Selektion und Vermehrung der Königin der Blumen zu erzählen.

Reichlich Inspiration gibt es auch auf dem Gartenfestival in Chaumont, wo die Gartenkunst höchst kreativ und unkonventionell betrieben wird. Die Nähe zu den großartigen, meist im Renaissancestil erbauten Schlössern birgt aber auch oft den Wunsch, das Vorhandene zu erhalten – und mit frischen Ideen zu bereichern.

Selbst in Villandry, für seine farblich und in Mustern gepflanzten Gemüsebeete weithin bekannt, zieht Neues ein: Auf einer höher gelegenen Terrasse finden wir den Wolkengarten, eine malerische Symphonie in blau-weiß und den Sonnengarten, aus dessen Beeten üppiges Gold fließt.

Ähnliches gilt auch für die Feengärten am Chateau du Rivau, dessen charmante Schlossherrin ihr Wissen als Kunsthistorikerin mit dem der Landschaftsarchitektin perfekt verbindet. Dort trifft Moderne (Garten-) Kunst auf Literatur und Geschichte, denn dort – wie könnte es anders sein – wurde einst Jeanne d’Arc beherbergt.

Ein Abstecher in die weiten Heidelandschaften nahe Orléans führt uns zum Park des Arboretums „Les Grandes Bruyères“ der Familie de la Rochefoucault. Stundenlang könnten wir ihren Geschichten ­– nicht nur über Bäume – lauschen; aber wie so oft, oder fast immer: die Zeit reicht nicht aus für alles, was man sehen und hören möchte…

„Sie kommen doch nächstes Jahr wieder?“ „Oui, oui, bien sûr – bestimmt werden wir wiederkommen!“