Frühling soll mit süßen Blicken…

von Renate Tönsing – Frühling soll mit süßen Blicken, mich entzücken und berücken… Wo ließen sich diese Worte von Clemens von Brentano besser nachspüren als auf einer Bollenreise nach Holland?

Frühlingserwachen mit Bollen, Glocken und Trompeten

Die Erinnerung an graue herbstliche Nebeltage und dunkle, trübe Winterstunden sind wie weggeblasen, wenn der Gartenfreund das erste zartgelbe Blütenblatt des Winterlings entdeckt. Dieser winzige Vorbote weckt uns aus seiner Winterstarre und verheißt das ganze atemberaubende Feuerwerk, dass uns die kleinen unscheinbaren Knollen und Zwiebeln, die im Herbst der Erde anvertraut wurden, kurzfristig bescheren werden.

Nirgendwo üppiger als bei unseren Holländischen Nachbarn erlebt man die Farbexplosion des Frühlings so unmittelbar und intensiv. Der schlichte Name ‚Bolle’ (Zwiebel, Knolle) lässt kaum die Vielfalt an Formen, Farben und Duft dieser Untergrundarbeiter erahnen.

Hyazinthen stehen wie kleine Soldaten aufgereiht bis zum Horizont auf den dem Meer abgerungenen Polderflächen. Zusammen mit den Farben der holländischen Nationalblume, der Tulpe, kleiden Sie ganze Landstriche zur Blütezeit ein.

Warum aber ist Holland eigentlich zum Tulpenland schlechthin geworden? Wo doch die meisten Geophyten aus Vorder- und Zentralasien stammen?

Über die Popularität der Tulpen am Hof des Sultans in Istanbul berichtete im Jahre 1555 ein Gesandter des österreichischen Hofs. Der kaiserliche Hofgärtner niederländischer Abstammung, Carolus Clusius wurde hellhörig und begierig. Zurück in der Heimat in Leiden vertraute er ganz besonderes Schmuggelgut der Erde an: rote Tulpen. Die fühlten sich im kalkreichen Sandboden der Küste wie zuhause. Weitere Erklärungen erübrigen sich ja fast, denn da unsere Nachbarn herausragende Gärtner sind und nebenbei auch eine Nase für ein lohnendes Geschäft haben, verbreitete sich die bunte Frühlingskunde bald über den ganzen Kontinent.

Aber es muss nicht alles Tulpe sein: Umfangreich ist die Palette der sonnenfarbigen Narzissen, die mit den kräftigen Blautönen der Perlhyazinthen und Scilla gleichfalls Kontrast und Steigerung finden. Eine Vielzahl bezaubernder kleiner Zwiebelgewächse wie Krokus, Milchstern oder Hundszahn wissen durch ihre Zartheit zu erfreuen.

Ungewöhnliches zeigt der Keukenhof, ein herrlicher Landschaftsgarten, der für zwei Monate im Jahr zum Eldorado für Gärtner und Kunstfreunde wird. Altbewährtes gedeiht dort neben frisch Gezüchtetem, verbindet sich Duft mit Farbrausch: Ausblicke auf die in Farbe getauchten Polder inbegriffen.

Auf den ersten Blick recht beschaulich geht es dagegen im Hortus Bulborum zu: Dieses Museum für lebende Zwiebelpflanzen beherbergt über 4000 Geophythen. Dort stehen historischen Berühmtheiten der Zwiebelwelt wie die seit 1595 kultivierte Tulpe: Duc van Tol Red and Yellow. Auch Nachfahren der ‚Semper Augustus’ werden im Hortus kultiviert. Erst in jüngster Zeit konnte das Farbspiel der Blüte einem Mosaikvirus zugeschrieben werden. Dieser Virus war wohl auch zeitweise auf Menschen übertragbar, entfachte doch die „Semper“ einst den Tulpenwahn. Einzelne Zwiebeln wurden unter reichen Händlern im 17. Jahrhundert zu astronomischen Preisen verhandelt und verursachten die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte.

Ein ganz anderes Spekulationsmaterial stellt der Schatz an Genmaterial des Hortus Bulborum für fleißige Züchter dar. Hilft die Vielfalt hier doch neue Kreationen zu züchten. Mit Glück und Geschick gelangt dann in acht bis zehn Jahren eine neue Sorte auf den Markt. Sie erzeugt dieses, oh so verführerische Kribbeln (oder soll ich sagen den Wahn?): Die ! muss ich auch haben!

So ging und geht es vielen Gartenbesitzern, die ihre Gärten für die Bollenreise öffnen. Sie können der holländischen Bollenvielfalt einfach nicht widerstehen.

Und dies auch sehr zu unserem Wohle