Kleine Wellen – Tiefe Eindrücke

Von der Uferpromenade des Bodensees in Friedrichshafen schweift mein Blick über das Wasser in Richtung Schweizer Alpen. Die Wellen laufen mit kleinem weißen Kamm nervös ans Ufer und verraten den Seglern, dass der Wind heute weiter draußen richtig sportlich ist. Überm See erheben sich die Vorberge der Alpen. Die ganz hohen Gipfel sind heute nur schemenhaft zu erkennen. Am morgigen Tag soll jedoch der Wettervorhang aufgehen. Plötzlich ist die Sicht auf die Alpenkette so klar, dass man auch in 20 km Entfernung jedes Haus erkennen kann. Ich freue mich schon auf eine Fahrt zu Gartenfreunden an den Untersee. Dort locken zwei besondere Gärten.

Garten und Haus des Dichters

In Gaienhofen liegt der ehemalige Wohn- und Schaffensort von Hermann Hesse. Das Gelände erstreckt sich in sanftem Gefälle in südlicher und östlicher Richtung vor dem Haus und verschmilzt mit der Landschaft des Bodensees und der Halbinsel Höri.

Glücklicherweise wird der von H. Hesse so einfühlsam beschriebene Garten wieder liebevoll nach den Vorstellungen des Autors von der Besitzerin Frau Eva Eberwein gepflegt. Die begeisterte Gärtnerin und gelernte Biologin zeigt mir Beschreibungen Hesses zur Gartenplanung in Gaienhofen:

“Ich baute im Garten einen Schuppen für das Brennholz und das Gartengerät, ich steckte gemeinsam mit einem mich beratenden Bauernsohn Wege und Beete ab, pflanzte Bäume, Kastanien, eine Linde, eine Katalpe, eine Buchenhecke und eine Menge von Beerensträuchern und schönen Obstbäumen… alles gedieh recht schön, und wir hatten damals die Erdbeeren und Himbeeren, den Blumenkohl und die Erbsen und den Salat im Überfluss.”
(aus. H. Hesse: “Jahre am Bodensee”)

Hermann Hesse betrieb nicht nur einen Selbstversorgergarten mit Gemüse, Beerenobst und Obstbäumen, sondern pflegte mit Hingabe verschiedene Blumenrabatte:

“Daneben legte ich eine Dahlienzucht an, und eine lange Allee, wo zu beiden Seiten des Weges einige hundert Sonnenblumen von exemplarischer Größe wuchsen und zu ihren Füßen viele Tausende von Kapuzinern in allen Tönen von Rot und Gelb.”
(aus: H. Hesse: “Jahre am Bodensee”)

Für Eigentümerin Eva Eberwein war klar, dass sich hier die einmalige Gelegenheit bietet, den von Hesse selbst geschaffenen Garten und sein Haus wieder zu einer Einheit werden zu lassen. Damit kann einzigartigerweise in Gaienhofen Hesses Natur- und Gartenleben nachgespürt werden.

Garten der Planer

Völlig verwildert war der Garten Hesse als Regine Ege und Harald Conrad den Auftrag zur Restaurationsplanung erhielten. Die Planer laden mich in Ihr eigenes Gartenreich nur wenige km entfernt in Bankholzen ein.

Ein fein gewebtes Spiel aus Linien und Farben empfängt mich. Die Düfte der mediterranen Pflanzen und Kräuter steigen in die Nase.

Man will an jeder Ecke verweilen und wird doch durch neue Entdeckungen weiter gezogen. Es gibt der Pflanzen hier – oh, so viele besondere – und – oh, Verführung – dazu auch einen kleinen Pflanzenverkauf.

Hier ist ein Wunder gelungen. Auf kleinem Raum entfalten die Schaugärten mit unterschiedlichen Stilmitteln ihren Charme. Mal besticht ein Kräutergarten in strenger buchsgefasster Form. Nur wenige Meter weiter durchstreift man einen fast dschungelartigen Bereich aus Gehölzen und Stauden. Unter zwei Kirschen, die als Überbleibsel einer Obstwiese wie zwei nette alte Tanten im jungen Treiben wirken, wartet eine kleine Freifläche mit Tisch für den wahrscheinlich besten Kirschkuchen der Welt.

Aus immer neuen Blickwinkeln ergeben sich im Garten der Gestalter wie bei einem Kaleidoskop neue Gartenbilder.

In die Höh

Und dann geht es zurück zum See, diesem blauen Boten des Südens. Für den nächsten Tag plane ich den Blick von oben. In alpiner Höhe wartet ein schöner Alpengarten auf den Besuch. Von hier oben ist der Blick auf den See und in die hohen Gipfel atemberaubend. Mit der Seilbahn schwebt man hinauf und mit jedem weiteren Höhenmeter erweitert sich die Perspektive.

Auf der Schweizer Seite des Sees, am Fuße hoher Gipfel, liegt der Botanische Garten der Stadt St. Gallen. Ein Spaziergang durch diese schöne Anlage lässt sich wunderbar mit einem Besuch der berühmten Bibliothek und mit einem Bummel durch dieses malerische Städtchen verbinden und die Schweizer Gastronomie genießen. Mmmmh, der leckere Kaffee und ein Stückchen Schweizer Schokolade vertreibt die Müdigkeit und man bekommt Lust weiterzufahren und das nächste Ziel anzusteuern.

Und deren gibt es noch so viele zwischen See, Alpen und Weinbergen.

Gerlinde Sachs,

mit Dank an Frau Eberwein, Hermann Hesse Haus

Die Zitate stammen aus dem Band: Hermann Hesse: „Die Jahre am Bodensee“ herausgegeben von Volker Michels, Copyright Insel Verlag 2010

Weiterer Literaturtipp:
Jakob Maria Soedher: „Rosenträume am Bodensee“ Edition Hochfeld 2012
Ein opulenter Bildband, der Geschmack macht auf Begegnungen am Bodensee mit Texten von u.a. Goethe, Stifter, Hölderlin und Rilke.